Das Ende der Master Sommeliers, trügerische Burgunder und Irlands Loi Evin

Es hatte sich ja schon eine ganze Weile angebahnt. Trotzdem, als die Nachricht letzte Woche die Runde machte, dass sechs Master Sommeliers ihren Titel verlieren würden, sorgte es dennoch für großes Aufsehen. Geschlechterungleichheit ist wie in anderen Sektoren auch in der Weinwelt ein großes Thema. Trotz einiger Schritte in die richtige Richtung wäre es an der Zeit, endlich richtigen Fortschritt zu erzielen. Außerdem ging es auch diese Woche wieder um die fortschreitende Tonkenisierung von alkoholischen Getränken an, den irischen Remake des Loi Evin und einer interessanten Unterhaltung über Weine aus Austin typischen Bordeaux Rebsorten und Lagenklassifizierung. All das in der neuesten Ausgabe des JollyCellarMaster Weekly:

 

Männerwirtschaft, Neue Marketingvorschriften, und die Blockchain Revolution Geht Weiter

 

Loi Evin Zweiter Teil

Bevor wir uns in die wirklich großen Themen dieser Woche stürzen und die Aufmerksamkeitsspanne rapide nachlässt, wenden wir uns kurz dem jüngsten Bann der Werbung für alkoholische Getränke zu (wobei dahin gestellt sei, ob die Kombination der Worte Alkohol und Bann nicht trotzdem sofort alle Alarmglocken schrillen lassen würden…).

Die irische Regierung verabschiedete 2018 ein Gesetz, um den Alkohol Konsum zu reduzieren. Nach einer Übergangszeit wurden eine Serie von Maßnahmen seit November 2019 implementiert. Dabei ging es um die Verfügbarkeit, den Preis, die Vermarktung, Etikettierung und Alkoholwerbung in Irland.

Dieses Gesetz sah auch vor, dass nun, zwei Jahre später, neue Maßnahmen eingeführt würden, die ein Verbot der Werbung alkoholreicher Getränke im Rahmen von Sportveranstaltungen ausspricht, wobei entsprechende Werbung auf der Ausrüstung der Sportler erlaubt bleibt. Verboten ist außerdem das Sponsoring oder die Werbung für alkoholische Getränke im Rahmen von Veranstaltungen die vornehmlich von Kindern besucht werden, sei’s als Zuschauer oder als Sportler. Und dann betrifft es auch noch ein Verbot für Sponsoring von alkoholischen Getränken an während Motorsport-Veranstaltungen.

Das natürlich ziemlich nach dem bekannten Loi Evin, das französische Gesetz  bezüglich Alkohol- und Tabakwerbung von 1991, welches die Art und Weise, in der alkoholische Getränke in einem der wichtigsten Weinmärkte der Welt beworben werden können, drastisch einschränkte.

Das irische Pendant ist gleichermaßen streng im Hinblick auf die Bestrafung von Verstößen: das Strafmaß sieht Geldbußen in Höhe von €250,000 oder Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren vor. Bleibt allerdings, ob es ähnliche Schockwellen durch die Weinindustrie senden wird wie das französische Gesetz, als es in Kraft trat. Zwar ist Irland ein wichtiger Markt Fall koreanische Getränke mit Durchschnittskonsum von 113 Flaschen Wein oder 436 großen Bieren im Jahr 2020. Der komplette Weinabsatz im Land belief sich allerdings lediglich auf 120 Millionen Flaschen im gleichen Jahr.

 

Digitalisierung und die Fortsetzung des Blockchain-Hypes

Auch wenn die Weinindustrie nicht zwingendermaßen einen Sektor ist, der für seine Wandlungsfähigkeit bekannt ist, kommen wir immer wieder auf die fortschreitende Digitalisierung der Welt des Weines zu sprechen. Ein Lieblingsthema in diesem Sinne ist natürlich Blockchain und seine verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten. Diese Woche veranstaltet die OIV einen virtuellen Kongress zum Thema Digitalisierung und ich bin gespannt, was die neuesten Trends sind. Blockchain soll dabei ein zentrales Thema sein.

Dann wäre da auch die Nachricht, dass Penfolds eine limitierte Edition von NFTs für den Freundschaftspreis von $130.000 veräußert, die an ein seltendes Fass Magill Cellar des 2021er Jahrgangs gekoppelt sind. Wir haben die Natur und Verwendung von NFTs an unterschiedlicher Stelle diskutiert (einfach in der Suchfunktion NFT eingeben!) und dass Penfolds nun ebenfalls dem Cryptohype beitritt, ist in gewisser Weise nur eine Bestätigung dessen, dass sich vielleicht doch etwas dahinter verbirgt.

Es bleiben allerdings eine Reihe von Fragen, und dabei geht es nicht nur um den NFT von Penfolds, sondern alle Formen der Tokenisierung in der Weinbranche und dem tatsächlichen Wert dieser Übungen. Manche ergeben sich aus der Besonderheit des Produkts Wein, andere sind allgemeiner Natur. So zum Beispiel das Problem Geldwäsche: die Verwendung von Kryptowährungen zur Vertuschung krimineller Machenschaften ist nach wie vor ungelöst. Pyramidenschemata und andere Betrügereien, die Menschen schnell reich machen sollten, aber letztlich mit leeren Taschen zurückließen, ist ein anderes. Oder auch die Liquidität, die allenthalben für schwer zu transportierende und veräußernde Gegenstände wie Weinflaschen versprochen wird, aber in den wenigsten Fällen real ist.

Das gilt im gesamten Blockchain-Universum, ist aber auch in der Weinwwelt relevant. Spielen zum Beispiel die Umschlagsplätze, an denen die NFTs aufgelegt und gehandelt werden, nach den gültigen Geldwäscheregeln mit den entsprechenden Kontrollmechanismen? Die NFTs, die den Umtausch von virtuellen Assets in reale, sprich Weinflaschen, versprechen, wirklich in sicheren Warenhäusern mit optimalen Voraussetzungen gelagert oder lesen wir demnächst von Ermittlern, die leere Gebäude betreten, in denen die Regale mit Flaschen gefüllt sein sollten?

Dann gibt es da noch die Wein-spezifischen Fragen wie die Verwendung von Blockchain-Techology zur Betrugsbekämpfung. Gerade heute Morgen ging die Nachricht über den Äther, dass der rekordverdächtige Verkauf von Flaschen der Domaine de la Romanée-Conti wegen des Fälschungsverdachts rückgängig gemacht wurde. Blockchain wird oft als das Allheilmittel für diese Probleme dargestellt, aber jede Technologie ist nur so gut, wie die Menschen, die sie sich erdenken. Und wie sie sie anwenden. Nicht nur im Wiensekor, aber allgemein in bezug auf Blockchainanwendungen hört es sich für mich leider oft nur so an, als handle es sich bei verschiedenen Lösungen nur um kosmetische, die die wahren Probleme nicht behebt. Gerade diese Vorgehensweise hat in der Vergangenheit aber für lange Gesichter gesorgt, wie das Beispiel der fälschungssicheren Wasserzeichen belegt.

 

Das Ende des Court of Master Sommeliers?

Jetzt aber zum Skandal, der die Welt des Weines schon ein bisschen länger beschäftigt, aber in der letzten Woche offen zu Tage trat, und ein grundsätzliches Problem der Weinbranche betrifft.

Der Reihe nach: nachdem schon seit gut einem Jahr Gerüchte über sexuelle Belästigung innerhalb des Court of Master Sommeliers America, machten und zu einer externen Untersuchung führten, hat die Organisation nun vorbehaltlich des Einspruchs der Beschuldigten entschieden, sechs Master Sommeliers die Titel zu entziehen.

Unter den sechs findet sich auch Fred Dame, 68, der als „der Pate der amerikanischen Sommelier-Industrie“ beschrieben wurde und prominente Figur in den Somm-Filmen war.

Die Vorwürfe gegen die sechs Männer reichen von „unangemessenen Kommentaren und Flirten bis hin zu nicht einvernehmlichen Berührungen“ bis hin zur „Ausnutzung einer Mentoring-Beziehung für eine wahrgenommene Gegenleistung“ – übersetzt bedeutet dies, dass männliche Sommeliers angeblich Empfehlungsschreiben an weibliche Kollegen im Austausch für Sex angeboten hatten, so das Statement des Court of Master Sommeliers.

21 weibliche Sommeliers brachten als Whistleblower die Vorwürfe vor, die schließlich was zu den Ermittlungen mündete. Nach Anhörung von mehr als 80 Personen sah diese die oben aufgeführten Anschuldigungen als erwiesen an. Die Enthüllungen aber betreffen nicht nur das Verhalten der Beschuldigten, sondern wirft darüber hinaus auch ernsthafte Fragen hinsichtlich der Organisation selbst und das Klima darin auf.

Dementsprechend ist das Echo der Weinbranche: vom Wendepunkt in der Geschichte des Court zur Feststellung der Überflüssigkeit der Ausbildung und des Endes der Institution als solcher.

Der Court of Master Sommeliers hat bereits erste Schritte unternommen durch die Ernennung von Emily Wines als Vorsitzende des Verwaltungsrats und der Einführung eines Ausschusses, der sich mit Fragen der Berufsethik auseinandersetzt wie auch der Whistleblower-Hotline, die am Ende zu dem jüngsten Verfahren geführt haben. Fraglich bleibt aber, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Institution nachhaltig zu reformieren.

Einige prominente Mitglieder scheinen dies nicht zu glauben und haben entsprechend den berühmten Pin der Master Sommeliers aufgegeben, da sie nicht mehr Teil einer Organisation sein wollen. Scheinbar sind die Probleme fundamental, die durch die getroffenen Maßnahmen nicht zu beheben sein werden, schließlich sind von den insgesamt 172 Mitgliedern des Court of Master Sommeliers America 144 Männer, was sinnbildlich für ein Problem der gesamten Branche ist.

Während einige Einrichtungen wie das Institute of Master of Wine einen deutlichen Anstieg der Frauen in den Reihen der MW verzeichnet haben, ist es noch ein weiter Weg, bis von einer wirklichen Gleichberechtigung gesprochen werden kann und der Sexismus aus der Weinindustrie gedrängt wird, wie Emily Robotham für The Drinks Business Anfang des Jahres schrieb. Trotz der Fortschritte auf dem Weg zu einem integrativeren Sektor und der wachsenden Zahl beeindruckender Frauen in Schlüsselfunktionen in der Weinindustrie scheint der Weinsektor in vielerlei Hinsicht immer noch eine von Männern dominierte Welt zu sein.

Beispiele gibt es viele, aber um eines herauszugreifen könnte man sich die 41. Ausgabe des Wettbewerbs zum Besten Sommelier Italiens anschauen, die am vergangenen Wochenende vom italienischen Sommelier-Verband AIS veranstaltet wurde: Die ersten vier Erstplatzierten sind Männer und von den 18 für die Vorrunde qualifizierten finden sich lediglich drei Frauen.

Ich will hier wirklich nichts unterstellen, aber man muss sich wirklich fragen, was diese Zahlen letztlich bedeuten: Sind Männer etwa von Natur aus qualifizierter (was ich aus meiner Erfahrung nicht unterschreiben würde)? Entscheiden sich grundsätzlich weniger Frauen, Sommelier zu werden bzw. an diesen Veranstaltungen teilzunehmen (wenn ja, warum)? Handelt es sich schlicht um einen Zufall? Angesichts der Tatsache, dass von den letzten zwanzig Gewinnern dieses jährlichen Wettbewerbs nur zwei Frauen waren, fühlt man sich dazu verleitet, die letzte Schlussfolgerung aus statistischen Gründen auszuschließen.

Vielleicht wird ein prominenter Fall wie dieser dazu führen, den Wandel voranzutreiben, aber es ist zweifelhaft, dass dieser so schnell kommt, wie der Ausschluss der sechs Master Sommeliers.

 

Bordeaux outside Bordeaux

Und zum Schluss noch eine angenehme Nachricht und zwar die der Veröffentlichung der neuesten Podcast-Episode: dieses Mal habe ich mich mit Andreas Kofler unterhalten. Andreas ist nicht nur Obmann der Kellerei Kurtatsch, einer der ältesten Kellereigenossenschaften Südtirols. sondern auch noch Präsident des Südtiroler Weinkonsortiums. Als wir uns vor einiger Zeit bei einer Blindverkostung von roten Bordeaux-Weinen trafen, bei der sich lokale Porduzenten mit prominenten Vertretern aus Bolgheri und natürlich Bordeaux mit überraschendem Ausgang maßen, verabredeten wir uns für ein längeres Gespräch. Dabei ging es nicht nur darum, warum Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot im alpinen Klima so ausgezeichnete Ergebnisse liefern sondern auch um die aktuelle Lagenklassifikation in Südtirol, warum der Fokus auf Einzellagen Sinn macht, auch wenn er mit wirtschaftlichen Bürden einhergeht und noch ein bisschen mehr. Also, direkt hier reinhören!

 

Das wäre es dann auch schon für diese Woche, aber natürlich freue ich mich immer, von anderen interessanten Geschichten zu lesen, über Wein zu quatschen und zu hören, wer mein nächster Gast im Podcast sein sollte. Also einfach ein paar Zeilen schicken oder mich auf Twitter kontaktieren. Und wer gerne immer auf dem Laufenden bleiben möchte, sollte sich unbedingt für den JollyCellarMaster Newsletter anmelden.

 

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