Wandel in der Weinwelt plus das beste Weinbuch des Jahres

The times are a-changin, sang Bob Dylan in den sechziger Jahren, aber selten hat sich die Welt des Weins so verändert wie in den letzten zwei Jahrzehnten, und der Wandel ist in vollem Gange. Dieser Wandel ist es, den wir diese Woche in der neuesten Ausgabe des JollyCellarMaster Weekly aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Aber, wie immer, ist das natürlich längst noch nicht alles…

Strukturwandel in Italien, M&A, und das OIV Wine Book of the Year

Das letzte Abendmahl

Keine Sorge und immer schön weiterlesen: Hier geht es nicht um theologische Fragen und darum, ob man an Jesus Christus glauben soll, unseren Herrn und Retter. Es geht auch nicht darum, dass man angesichts des Titels und der Tatsache, dass sich beim JollyCellarMaster alles um Wein dreht, geneigt sein könnte zu glauben, dass es um die Rolle der Kirche im Laufe der Jahrhunderte bei der Gestaltung der heutigen Weinwelt geht. Man denke nur an Burgund und seine Entstehung durch die Benediktiner und Zisterzienser, an Kloster Eberbach im Rheingau oder an Papst Johannes XII und die Geschichte von Châteauneuf-du-Pape – um nur einige Beispiele zu nennen.

Stattdessen und deutlich trivialer geht es um eine Geschichte der praktischen Gefahren des Kirchenbesuchs, die reale und greifbare Gefahr, die in den Gebäuden lauert, die im Namen Gottes errichtet wurden. Und das war so:

An einem ruhigen Sonntagabend wurden Passanten durch die Hilferufe eines 28-jährigen Mann aus der Kirche Saint-Pierre in der Stadt Nancy im Nordosten Frankreichs alarmiert, der drei Stunden lang in dem Gebäude eingesperrt war.

Einer der Security Officer der Stadt traf am Tatort ein, erkannte jedoch sofort, dass es sich um mehr als den einfachen Fall einer verschlossenen Tür handelte, und benachrichtigte seinerseits die örtliche Polizei. Als die Polizisten eintrafen, befreiten sie den Mann aus seinem provisorischen Gefängnis, nur um ihn extrem betrunken vorzufinden. Tatsächlich hatte er 3 g Alkohol pro Liter Blut. Zu diesem beachtlichen Wert kam es, da er in den drei Stunden, in denen er in der Kirche gefangen war, damit zubrachte, Messwein zu trinken. Das ist zumindest seine Darstellung der Dinge.

Da es sich bei dem fraglichen Messwein um etwas feinen Stoff gehandelt haben muss – ganz so wie man es in Frankreich erwarten würde – beschloss er, drei Flaschen gleich mitzunehmen, als er sich auf den Weg zum Ausgang machte, nur um sich dann aber in besagter Falle wiederzufinden. Als er realisierte, dass er nicht auf dem ursprünglichen Weg wieder herauskommen würde, brach er zwei Türen auf, um Zugang zu einem Raum mit Fenstern zu erhalten. Dort rief er schließlich um Hilfe und sein sprichwörtliches Flehen wurde erhört… Eine wahrhaft biblische Geschichte.

Leider gibt es keine weiteren Informationen darüber, welchen Wein er genau getrunken hat, aber um sein unheiliges Verhalten wiedergutzumachen, muss der junge Mann nun 60 Stunden Zivildienst leisten, nachdem er sich entschuldigt und angeboten hat, den von ihm verursachten Schaden zu reparieren . Amen.

Der Wandel des italienischen Weinsektors

Es wird oft gesagt, dass sich die Weinbranche in den letzten zwei Jahrzehnten schneller und stärker verändert hat als je zuvor. Wem diesbezüglich der Glauben fehlt und solche Aussagen lieber an Zahlen festmacht, sollte sich die neuesten Statistiken des Branchenverbands Unione Italiana Viniansehen:

In zwanzig Jahren ist die Zahl der Weingüter in Italien um über 500.000 von vormals 791.000 im Jahr 2000 zurückgegangen. Die Rebfläche hat im gleichen Zeitraum um 11 % verringert, allerdings vor allem im ersten Jahrzehnt des Untersuchungszeitraums, da der Rückgang in den letzten zehn Jahren bis 2020 lediglich 1 % betrug.

Natürlich ist der Durchschnitt pro Weingut dadurch inzwischen deutlich größer, nachdem basierend auf der letzten Landwirtschaftszählung des Istat, dem italienischen Nationalinstitut für Statistik, nun aktualisiert bis 2020, er um 174 % gewachsen ist. Der Wert der Exporte stieg ebenfalls um 165 % im gleichen Zeitraum und machte den Weinbau damit zum führenden Agrarsektor im Außenhandel und liefert den größten Beitrag zum Handelsüberschusses Italiens, der anteilig fast 14 % ausmacht.

Der größte Rückgang an Weingütern ist im zentralen Teil Italiens zu finden, der 75 % verlor, während der Nordwesten, Heimat berühmter Herkunftsbezeichnungen wie Barolo oder Franciacorta, um 70 % zurückging. Bei genauerer Betrachtung ist es unter den Regionen Kampanien mit dem größten Rückgang, welches im Jahr 2000 mit 86.000 die meisten Weingüter aufwies, wo heute aber nur noch etwas mehr als 22.000 übrig sind, was einer Verminderung um fast drei Viertel bedeutet. Der prozentuale Rückgang ist allerdings am höchsten im Latium mit -83%. Gemäß der letzten Istat-Untersuchung hat Apulien heute mit 36.000 die größte Anzahl von Unternehmen, gefolgt von Sizilien mit 30.000 und Venetien mit 27.000.

Das Ergebnis dieses Strukturwandels sind demnach weniger Betriebe, aber mit durchschnittlich größeren Parzellen, insbesondere im Norden, wo die durchschnittliche Rebfläche 3,4 Hektar beträgt, verglichen mit einem nationalen Durchschnitt von 2,5 gegenüber 0,9 im Jahr 2000 und 1,6 im Jahr 2010.

Weltweite Konsolidierung

Da wir bereits über die Veränderungen in der Struktur der Weinbranche sprechen, hätten wir hier gleich noch zwei weitere erwähnenswerte Neuigkeiten:

Bei der ersten geht es um die kürlichen Verkäufen von Marken bzw. Weingütern, die bis letzte Woche noch im Besitz von Constellation Brands, dem Fortune-500-Unternehmen, waren.

Wine-Searcher berichtet, dass das einst größte Weinunternehmen der Welt seinePortfolio weiter reduziert hat, indem es die Marken Cooper & Thief, 7 Moons, The Dreaming Tree, Charles Smith Wines und Monkey Bay an The Wine Group, eines der größten Unternehmen im US-Inlandsverkauf von Wein, verkauft hat.

In den späten 2000er Jahren, als Constellation eine beeindruckenden Serie von Zukäufen begann, die bekannte Namen wie die Robert Mondavi Winery beinhaltete, konzentrierte sich die Strategie des Unternehmens eindeutig auf die Preisspanne von 5 bis 15 US-Dollar. Heute hingegen ist alles anders, was sich auch aus einer Erklärung des Unternehmens aus der letzten Woche ergibt, die deutlich die Abkehr vom früheren Ansatz widerspiegelt, da Constellation sich nun „auf den Wettbewerb überwiegend in den Segmenten Premium und feine Weine und Spirituosen konzentriert“.

Die andere interessante Nachricht ist die Fusion, die in letzter Zeit Schockwellen in der französischen Weinindustrie ausgelöst hat. Es geht um die Familien Pinault und Henriot, Besitzer von Artémis Domaines bzw. Maisons & Domaines Henriot, die beschlossen haben, ihre Weingüter durch eine Fusion zusammenzulegen. Laut Decanter hält die Familie Pinault eine Mehrheitsbeteiligung an der neuen Gruppe, die den Namen Artémis Domaines beibehalten und vom derzeitigen Geschäftsführer von Artémis, Frédéric Engerer, geleitet wird. Die Eigentümerfamilien von Maisons & Domaines Henriot sind hingegen Minderheitsaktionäre. Wie es bei solchen Transaktionen denn auch oft üblich ist, wurden finanzielle Details natürlich nicht bekannt gegeben.

Die Fusion vereint eine Reihe beeindruckender Marken des französischen Weinsektors: Seit er 1993 Château Latour erworben hat, hat Pinault eine stete Erweiterung des Artémis-Weinportfolios vorangetrieben, welches auch aus dem Grand-Cru-Burgunder-Produzenten Clos de Tartin, und aus dem Eisele Vineyard in Napa Valley besteht, sowie zusätzlich auch das Rhônetal-Monopol Château Grillet, die Domaine d’Eugénie in Vosne-Romanée sowie die kürzlich erworbene Minderheitsbeteiligung an Champagne Jacquesson beinhaltet.

Auf der anderen Seite fügt Henriot dem Portfolio Bouchard Père & Fils aus Burgund hinzu, das 1731 gegründet wurde und neben seinen Négoçiant-Unternehmungen auch ein bedeutender Weinbergbesitzer und -produzent an der Côte d’Or ist, sowie William Fèvre in Chablis, Maison Henriot in Champagne und Beaux- Frères in Oregon. Mal schauen, wie sich das weiterentwickelt…

Verdiente Anerkennung

Und zu guter Letzt ist es an der Zeit, unser Glas auf den Gewinner des Wettebwerbs des Weinbuchs des Jahres der OIV (Internationale Organisation für Rebe und Wein), Keith Grainger, zu erheben!

Keith erhielt kürzlich Le Prix de l’OIV in der Cité du Vin in Bordeaux für sein Buch „Wine Faults and Flaws: A Practical Guide“, über das wir hier vor nicht allzu langer Zeit ausführlich gesprochen haben in der sechsten Folge des JollyCellarMaster Podcast.

Dort sprachen wir auch über seine Karriere, ein anderes großartiges Buch von ihm, das auf der Leseliste stehen sollte, der sich für Wein interessiert, das Problem der Objektivität bei Weinbewertungen und vieles mehr. Das Gespräch in voller Länge gibt es hier.

Zurück zu seinem brillanten Buch „Wine Faults and Flaws“: ohne zu übertreiben, ist es wirklich das unverzichtbare Referenzwerk zu diesem Thema, da er alles erklärt, was wichtig ist und man sich vorstellen kann – vom Korkton über TDN bis hin zu Brett und vielem mehr, oder auch der Frage, warum fehlerhafte Weine ausgezeichnet sein können. Also, am Besten selbst lesen!

Und damit wären wir am Ende für diese Woche angekommen, aber natürlich freue ich mich immer, von anderen interessanten Geschichten zu lesen, über Wein zu quatschen und zu hören, oder wer mein nächster Gast im Podcast sein sollte. Deshalb einfach ein paar Zeilen schicken oder mich auf Twitter kontaktieren. Und wer gerne immer auf dem Laufenden bleiben möchte, sollte sich unbedingt für den JollyCellarMaster Newsletter anmelden.

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