Die Weinlese in der nördlichen Hemisphäre geht munter weiter und das Wetter in diesem speziellen Teil der Welt scheint die unvermeidliche Wendung zu nehmen: Der Herbst steht vor unserer Tür, ob wir wollen oder nicht. Die positive Seite ist, dass es in den kühleren Jahreszeiten, die vor uns liegen, sicher viel Zeit geben wird, es sich mit einem guten Buch vor dem Kamin zu bequem, zu machen. Das heißt natürlich, nur wenn man zuhause tatsächlich einen Kamin hat. Ansonsten steht uns anscheinend ein kalter Winter bevor, aber anstatt mich auf die schlechten Nachrichten zu konzentrieren, lese ich lieber Weinnachrichten – auch wenn sie nicht alle gut sind. Hier ist dann auch unsere Auswahl für diese Woche in der neuesten Ausgabe des JollyCellarMaster Weekly:
Was ist Rolle, Aufatmen im Rheingau, und eine neue Folge der St. Emillion Soap
Wo ist der DRC?
Es klingt wie eine Geschichte aus einem Krimi: Ein spektakulärer Einbruch, bei dem Kriminelle Hunderte Flaschen edlen Weins im Wert von einer Viertelmillion Euro aus den Kellern eines renommierten Gourmethotels erbeuten.
Nur dass es keine erfundene Geschichte ist, sondern im wirklichen Leben passiert ist: Im Herzen des Rheingaus in Deutschland liegt das Gourmethotel Kronenschlösschen und seine Weinkarte wurde als die beste in Deutschland bezeichnet. Der Wert solch kostbarer Weine bleibt Kriminellen natürlich nicht verborgen. Deshalb brachen im Januar Diebe in das Hotel ein und schlugen mehrere massive Türen ein, um an Schätze wie Weine der Domaine Romanée-Conti und anderer Spitzenproduzenten zu gelangen. Damals zogen die Besitzer schnell Vergleiche mit ähnlichen Raubüberfällen der letzten Zeit und mutmaßten fest, dass die Ganoven mit einer gezielten Wunschliste gearbeitet haben müssten.
Doch schnell richteten sich die Augen auf die Eigentümer selbst, da die Versicherungsgesellschaft Zweifel am Hergang der Ereignisse aufkommen ließ. Sie vermutete, dass die Eigentümer zusammen mit dem Chefsommelier den Raub vorgetäuscht hatten, um die Versicherung zu betrügen, da angebliches Insiderwissen für die Durchführung des Überfalls erforderlich gewesen wäre. Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen daraufhin die Spur auf und ermittelten entsprechend.
Nun gibt es eine weitere überraschende Wendung, und die Geschichte entwickelt sich in einer Weise, dass sie einer Hollywood-Adaption wahrlich würdig wäre: Zwar beteuerten die Besitzer während des Fortgangs der Untersuchung beständig ihre Unschuld, dennoch war es letztlich etwas überraschend, als die Staatsanwaltschaft etwas unvermittelt letzte Woche bekannt gab, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt würde, da keine Beweise gefunden wurden, die den Verdacht rechtfertigen würden.
Damit ist das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht erreicht: Erstens ist der wahre Täter immer noch auf freiem Fuß und es gibt keinerlei Hinweise auf den Verbleib des Diebesgutes.
Zweitens haben die Besitzer des Hotels jetzt die Versicherung angezählt, die sich offenbar immer noch weigert zu zahlen. Neben der Zahlung der Versicherungssumme fordern sie auch Wiedergutmachung für die durch die Ermittlungen verursachten Reputationsschäden. Da kommt sicher noch mehr…
Rolle oder Vermentino
Treue Leser werden wissen, dass wir regelmäßig an dieser Stelle über den langem Arm des Gesetzes und seine Auswirkungen diskutieren. Nicht selten stand dies im Zusammenhang mit dem Schutz von Herkunftsangaben. Der jüngste in einer langen Reihe von mehr oder weniger berechtigten Fällen ist jedoch ein bisschen merkwürdig: Im Grunde genommen geht alles auf die Forderung italienischer Produzenten zurück, dass die Europäische Union den Namen Vermentino schützen und seine Verwendung auf Etiketten ausländischer Produkte verbieten solle.
Es stimmt zwar, dass diese weiße Rebsorte hauptsächlich in Italien vorkommt, dass sie in mehreren Regionen der Halbinsel angebaut wird, insbesondere in Ligurien und Sardinien (wo sie es sogar zu einer DOCG-Klassifizierung gebracht hat), aber auch in anderen Teilen des Stiefels wie der Toskana und dem Piemont.
So weit, so gut. Die Sache ist, dass sie seit einiger Zeit auch auf der anderen Seite der Grenze in mehreren französischen Regionen angebaut wird. Und in einer dieser Regionen, namentlich dem Languedoc, sind einige Leute besonders sauer darüber, dass die EU der Forderung nachzukommen scheint und die Forderung durchsetzt. Schließlich bedeutet dies für sie wie auch alle anderen, dass Produzenten außerhalb Italiens weiterhin Vermentino produzieren können, aber diesen Namen nicht auf ihre Etiketten setzen können.
Interessanterweise ist die Traube in Frankreich auch als Rolle bekannt. Das scheint aber nicht attraktiv genug zu klingen, da Produzenten aus dem Languedoc angekündigt haben, die Entscheidung anzufechten. Gleichwohl gibt es aber auch einige Zugeständnisse dahingehend, dass die französische Vertretung, nämlich in der Gestalt der Regierung der Grande Nation, durchaus mehr hätte tun können, um einen solchen Schritt zu verhindern, da das Ganze auf einen Erlass aus dem Jahr 2013 zurückgeht, der 2019 lediglich aktualisiert wurde.
Auch wenn sie sich also ein bisschen an die eigene Nase fassen müssen, bleibt es eine interessante Geschichte, oder?
Neues Jahr, neues Glück
Bevor wir Schluss machen, hier ein weiteres Update zur unendlichen Geschichte der St. Emilion-Klassifizierung. Viele Quellen berichteten über die Entscheidung der französischen nationalen Appellationsbehörde (INAO) bezüglich der mit Spannung erwarteten Klassifizierung 2022 für die berühmt, berüchtigte Subregion im Bordeaux.
St. Emilion war fortwährend Gegenstand umfangreicher Berichterstattung, da es seit seiner Gründung im Jahr 1955 mehrmals unter Beschuss geraten ist. Es unterschied sich immer von den anderen, da es seine Liste alle zehn Jahre neu bewertet und aktualisiert. Vielleicht hätten sie dem Beispiel der anderen folgen sollen, die sich kaum ändern (Ein Beispiel für eine gute ‚Wer wird Millionär‘-Frage: Nennen Sie den einzigen Zugang zum illustren Kreis der Premiers Cru der Medoc-Klassifizierung von 1855? Oder lieber: In welchem Jahr?), da ein so kompliziertes Thema offensichtlich einen fruchtbaren Boden für Gezänk, Betrug, Manipulation und Ähnliches schafft. Genau das passiert seit geraumer Zeit, zumal zum ersten Mal seit der ursprünglichen Klassifizierung zwei Neuzugänge in der obersten Klasse zu verzeichnen waren, als sich Chateau Angelus und Pavie den ursprünglichen beiden Premier Grand Cru Classé A Cheval Blanc und Chateau Ausone anschlossen und für zusätzlichen Zündstoff sorgten.
Letztere kündigten daraufhin im vergangenen Jahr an, nicht mehr teilzunehmen und die Wertung zu verlassen. Einer der Eigentümer der beiden neu gekrönten Schlösser, Hubert de Boüard of Angelus, wurde in seiner Rolle bei der Saint-Emilion-Klassifizierung 2012 der „rechtswidrigen Voreingenommenheit“ für schuldig befunden, da er im Vorstand saß, der die Entscheidung getroffen hat, sein Schloss zu fördern. Im Schwabenland spräche man vermutlich von einem Geschmäckle.
Angelus beschloss dann, sich auch aus der Klassifizierung zurückzuziehen, indem der Eigentümer sagte, dass „die Saint-Emilion-Klassifizierung einst eine Quelle des Fortschritts, aber zu einem Vehikel für Antagonismus und Instabilität geworden ist“.
Wem mein Vorschlag vom Rheingau-Krimi oben nicht gefallen hat, wie wäre es dann mit dieser Geschichte als Grundlage einer neue Netflix-Serie? Hier ist nämlich noch lange nicht Schluss!
Zum Beispiel konnten wir im Juni lesen, dass ein weiterer berühmter Erzeuger das Klassifizierungssystem vollständig verlassen hat. Nun aber die gute Nachricht, dass mit der jüngsten Entscheidung jetzt wieder zwei Grand Cru-Klassen A haben mit Château Pavie, welches den Gipfel bereits im Jahr 2012 erklomm, und eben die jüngste Ergänzung in der Gestalt von Château Figeac, das sich nun ebenfalls an die Spitze der St. Emilion-Klassifikation gesellt hat. Genau darauf haben sich die meisten Branchenbeobachter in ihrer Berichterstatting konzentriert, und diese Ernennung wird den Preis von Figeac künfitg mit Sicherheit erheblich erhöhen.
Was ich aber für eine äußerst interessante Wendung halte, ist, dass das Château Cheval Blanc erst kürzlich seinen 11 Hektar großen Nachbarn, Château La Tour du Pin Figeac, von der Familie Giraud-Bélivier erwarb. Zusammen mit dem Kauf des acht Hektar großen Château La Tour-du-Pin Figeac-Moueix von der Familie Moueix im Jahr 2006 besitzt Cheval Blanc nun zwei Domänen, die ursprünglich Teil desselben größeren Anwesens von Figeac waren, bis sie im 19. Jahrhundert aufgeteilt wurden. Auch diese beiden Güter gehörten früher in der ein oder anderen Form zu einer Kategorie. Und Cheval Blanc hat sich natürlich erst letztes Jahr entschieden, die St. Emilion-Wertung zu verlassen. Irgendwie faszinierend, wie diese Dinge alle auf die eine oder andere Weise miteinander verbunden sind, nicht wahr? Auf jeden Fall Stoff für eine Verfilmung!
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Und damit wären wir am Ende für diese Woche angekommen, aber natürlich freue ich mich immer, von anderen interessanten Geschichten zu lesen, über Wein zu quatschen und zu hören, wer mein nächster Gast im Podcast sein sollte. Also einfach ein paar Zeilen schicken oder mich auf Twitter kontaktieren. Und wer gerne immer auf dem Laufenden bleiben möchte, sollte sich unbedingt für den JollyCellarMaster Newsletter anmelden.
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